Flächentarif verteidigen, Nähe zu den Mitgliedern und eine freie, offene Gesellschaft: Darum geht es in den nächsten vier Jahren.
Die IG BCE Hessen-Thüringen hat sich sich bei der Landesbezirksdelegiertenkonferenz für die kommenden vier Jahre aufgestellt. Bei der Versammlung am 6. Mai 2017 in Wiesbaden entschieden 83 Delegierte über Schwerpunkte der künftigen Gewerkschaftsarbeit, wählten einen neuen Landesvorstand und bereiteten den Kongress der IG BCE im Herbst vor. Insgesamt waren rund 130 Teilnehmer bei der Veranstaltung. Landesbezirksleiter Volker Weber berichtete über die Arbeit des Vorstands der vergangenen vier Jahre und zeigte auf, welchen Herausforderungen der Landesverband nun gegenübersteht. Peter Hausmann, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG BCE, hob hervor, wie bedeutsam die im Landesverband geleistete Arbeit für die Gesamtgewerkschaft ist und stellte Themen vor, die beim Gewerkschaftskongress eine bedeutende Rolle spielen werden.
Wolfgang Lenders

Im Namen der hessischen Landesregierung war Jo Dreiseitl, Staatssekretär im Ministerium für Soziales und Integration, bei der Konferenz. Er lobte das Engagement der IG BCE. "Wir brauchen eine Kultur des Miteinanders in den Betrieben", sagte er. Es gehe darum, jedem einzelnen Menschen seine Chancen, seine gleichberechtigte Teilhabe zu geben. Er sprach unter anderem die Themen Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel an. "Allein in Hessen fehlen in den nächsten Jahren bis zu 600.000 Fachkräfte", sagt er. Hier gelte es, gegenzusteuern – und die Arbeit der Gewerkschaften leiste einen bedeutsamen Anteil dabei.
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Peter Hausmann schwor die Versammelten auf die Aufgaben des Jahres ein: "2017 kommt es darauf an, dass es uns gelingt, bei der Zukunftsgestaltung den Richtungswechsel zu erreichen." Es gehe darum, die Sorgen und Interessen der Mitte der Gesellschaft – zu der die Mitglieder der IG BCE gehören – wieder in den Mittelpunkt der Politik zu rücken. "Die Themen, die diese Menschen haben, müssen wieder gehört werden." Er betonte, wie groß die Bedeutung der Landesbezirksdelegiertenkonferenz und des Gewerkschaftskongresses im Herbst seien: "Sie sind dazu da zu bestimmen, was unsere Inhalte sind, in welche Richtung wir die Gesellschaft bewegen wollen, wie die Arbeitsbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland aussehen sollen."
Wolfgang Lenders

Einer der Schwerpunkte des Landesbezirksvorstands ist die Europa-Arbeit. "Europa zieht sich wie ein roter Faden durch die Themen, die wir diskutieren", sagte Volker Weber. Weil über einen großen Teil der für die Gewerkschaftsarbeit relevanten Angelegenheiten in Brüssel entschieden werde, sei es wichtig, den Mitgliedern den Stellenwert von Europa zu vermitteln. So fahre der Landesbezirksvorstand regelmäßig nach Brüssel; wichtig seien auch entsprechende Angebote für die Mitglieder, etwa in Form von Bildungsurlaub.
Wolfgang Lenders

Volker Weber nannte einige Beispiele für Erfolge, die die IG BCE während der Amtszeit der bisherigen Landesvorstands hatte. So gewann etwa der Landesbezirksjugendausschuss mit einem Film zum Thema Toleranz einen Sonderpreis beim Wettbewerb der "Gelben Hand". Damit sich junge Menschen Gedanken über das Thema Nachhaltigkeit machen, hat der Landesbezirksvorstand gemeinsam mit der Initiative "Chemie hoch 3" einen Nachhaltigkeitspreis entwickelt, der 2017 zum zweiten Mal vergeben wurde.
Nicht immer sieht man auf den ersten Blick, warum sich der Landesverband in einer Initiative engagiert. Volker Weber geht es darum, die gesellschaftspolitisch relevanten Bereiche abzudecken: "Wichtig ist, dass wir als IG BCE Position beziehen, für die Beschäftigten, für die Mitglieder unserer Organisation." Ein Beispiel: Das Engagement in der Gesundheitsinitiative Hessen, die zum Ziel hat diese für das Land extrem wichtige Branche positiv ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.
Mit der demografischen Entwicklung zu tun hat das Engagement in der Initiaitve "Diabetes@Work", die chronische Erkrankungen aller Art zum Thema macht. "Diabetes ist ein Riesenthema, gerade auch im Schichtarbeitsbereich", sagte Volker Weber. "Eine Erkrankung darf nicht dazu führen, dass Kolleginnen und Kollegen ihren Betrieb verlassen müssen.
Klar sprach sich Volker Weber gegen Populismus und Rechtsextremismus aus und verwies auf die aktuelle Ausgabe des eMagazins "Klartext", in dem sich der Landesverband mit dieser Thematik beschäftigt. "Parteien und Vereinigungen, die die Ziele der IG BCE bekämpfen, haben keinen Platz in unserer Organisation." Er warnte vor einem schleichenden Prozess der Unterwanderung und appelierte an die Delegierten zum Kongress, sich dort für klare Regelungen auszusprechen, die dies verhindern.
Eines der wichtigsten Themen für die künftige Arbeit ist laut Volker Weber das Ringen um den Flächentarif. "Da bricht uns jede Menge weg", sagte er und warnte davor, die Entwicklung zu unterschätzen. "Diese Erscheinung ist viel tiefgreifender, als wir uns das vorstellen." Mit der Webseite arbeitgebertest24.de hat der Landesverband ein Instrument geschaffen, das transparent macht, welche Betriebe in Tarifbindung sind. "Wer als Fachkraft auf die Suche nach einem Arbeitsplatz geht, sollte wissen, wo er sich bewirbt", sagte Volker Weber. Einige Arbeitgeber hätten sich über die Seite sehr geärgert. Es habe aber auch viele positive Rückmeldungen von Betrieben gegeben, die sich in Tarifbindung befinden.
Ein Schwerpunkt der Arbeit des Landesbezirksvorstands wird es sein, sich um die Menschen in den Betrieben noch intensiver zu kümmern. Volker Weber: "Wir wollen die Menschen in den Fokus nehmen, Gespräche führen, zum Dialog Aufrufen, Mitgliederversammlungen in den Betrieben machen. Wir müssen stärker in die Köpfe unserer Kolleginenn und Kollegen kommen, damit bestimmte Themen sich in die richtige Richtung entwickeln."
Wolfgang Lenders

Bei den Anträgen, die bei der Konferenz zur Abstimmung standen, ging es um die Themenfelder Gesellschaftspolitik, Wirtschafts-, Energie- und Industriepolitik, Bildungspolitik, Arbeit und Betrieb, Tarifpolitik, Sozialpolitik sowie Gewerkschaftliche Organisationspolitik. Insgesamt waren fast 30 Anträge zusammengekommen, die aus der Arbeit der verschiedenen Bezirke und Gremien heraus entstanden sind.
Es sind die großen Veränderungen in der Arbeitswelt, die es nun zu gestalten gilt. So beschäftigte sich etwa der Antrag des Landesbezirksjugendausschusses "Perspektive 4.0 – alles eine Frage der Integration!", der auf der Arbeit der Landesbezirksjugendkonferenz beruht, ausführlich mit dem Thema Digitalisierung. In dem Antrag geht es darum, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass die in Zukunft noch verstärkt anstehenden Digitalisierungsprozesse transparent sind, dass die Interessen der Beschäftigten gewahrt sind und dass sie diese Prozesse in ihrem Sinne mitgestalten können. Einen Schwerpunkt legt der Antrag zudem darauf, auch jungen Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft eine Chance zu geben. Die Landesbezirksdelegiertenkonferenz nahm den Antrag an und leitete ihn weiter zum Gewerkschaftskongress.
Ein weiteres großes Thema bei den Anträgen war die demografische Entwicklung: Immer mehr ältere Menschen arbeiten in den Betrieben, immer mehr Menschen stehen Herausforderungen wie der Pflege von Familienangehörigen gegenüber. So ging es im Block Sozialpolitik um Themen wie Altersarmut, Regelungen für den Renteneintritt und die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Thema im Bereich Bildungspolitik war auch die Förderung des Gewerkschaftsnachwuchses, beispielsweise durch Bildungsurlaub.
Für Diskussion sorgte ein Antrag, in dem es darum ging, die Wählbarkeit in eine Jugendauszubildendenvertretung um drei Jahre, auf Vollendung des 28. Lebensjahrs, heraufzusetzen. Die IG BCE solle sich für eine entsprechende Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes einsetzen, forderten die Antragsteller. Ihre Begründung: Das Eintrittsalter in eine Ausbildung ist gestiegen, und damit hat sich auch die Altersstruktur unter den jugen Beschäftigten verändert. Die Antragskommission hatte Ablehnung empfohlen, die Konferenz nahm den Antrag dann aber an.
Auch in gesellschaftspolitischer Hinsicht bezog die Konferenz klar Stellung: Die Delegierten sprachen sich etwa für Transparenz im Waffenhandel aus und dafür, klar Position gegen die AfD zu beziehen.
Wolfgang Lenders

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